Die richtige Belichtung I
von Franz-Manfred Schüngel

Mit der Belichtung wird die Lichtmenge gesteuert, die auf den Chip oder  Film gelangt. Da es für den Effekt auf dem Chip (eine Ladungsmenge) oder dem Film (die Schwärzung) in gewissen Grenzen keine Rolle spielt, ob die Lichtmenge durch Blende, Belichtungszeit oder Graufilter gesteuert wird, ist in diesem Zusammenhang häufig von Lichtwerten die Rede: Ein Lichtwert bezeichnet alle Zeit-Blenden-Kombinationen, die zu identischer Belichtung führen, ein Unterschied von 1 entspricht dabei einer Verdoppelung oder Halbierung der Belichtungszeit oder dem Öffnen oder Schliessen der Blende um eine Stufe. Eine Sekunde Belichtungszeit entspricht bei Blende 1 dem Lichtwert 0, bei Blende 1.4 dem Lichtwert 1 usw.
 

Mit dieser Rechenscheibe kann man den Zusammenhang zwischen dem Lichtwert EV (im Fenster) und den zugehörigen Zeit-Blenden-Kombinationen einfach ablesen.

Bei der Wahl der Belichtung kann die absolute Lichtmenge gesteuert werden, die somit die Gesamthelligkeit bedingt. Auf den Kontrast hat dies zunächst keinen Einfluss, er hängt von Motiv und Beleuchtung ab. Unter Kontrast versteht man den Helligkeitsunterschied zwischen der hellsten und dunkelsten Motivpartie.
 

Die korrekte Belichtung hängt bei Filmen davon ab, ob man Dia- oder Negativmaterial verwendet. Bei Diafilmen ist die naturgetreue Wiedergabe der Helligkeit von Bedeutung, während bei Negativen die Helligkeitssteuerung beim Abziehen der Fotos geschehen kann. Als Faustregel sollte gelten, dass man Diafilme im Zweifel eher unter- und Negativfilme eher überbelichten sollte, um keine Details zu verlieren.

Bei der Belichtung von Diafilmen ist zu beachten, dass die Kamera nur das Licht messen kann, welches durch das Objektiv eintritt. Unter Umständen ergibt diese Objektmessung Probleme bei der korrekten Wiedergabe: Legt man beispielsweise ein weisses und ein schwarzes Blatt Papier an einen gleichmässig beleuchteten Ort und fotografiert beide ab, so ergeben sich erhebliche Differenzen in der Belichtungszeit: Das weisse Blatt, welches viel Licht in die Kamera reflektiert, wird viel kürzer belichtet als das schwarze. Im Ergebnis sehen beide Fotos gleich grau aus, da die Kamera die Beleuchtungsverhältnisse nicht kennt und nur die einfallende Lichtmenge beurteilt. Zu einem Problem wird dies immer dann, wenn ein wesentlicher Bestandteil des Motivs entweder sehr dunkel oder sehr hell ist. Zur Abhilfe gibt es mehrere Möglichkeiten: Statt mit der Kamera oder einem Belichtungsmesser auf das Objekt zu messen, kann man mit einem Belichtungsmesser mit Kalotte vom Motiv in Richtung Kamera messen. Diese Lichtmessung ist von den Reflexionseigenschaften des Motivs unabhängig, man benötigt aber einen separaten Belichtungsmesser. Sie ist die genaueste Methode der Belichtungsermittlung, kann aber nur angewendet werden, wenn das Objekt nicht selber leuchtet. Alternativ kann man mit der Kamera auf eine Graukarte messen. Sie reflektiert 18% des auftreffenden Lichts, was dem Standard entspricht, nach dem sich die Hersteller der Kameras richten. Ist keine Graukarte zur Hand, kann man auf ein Objekt messen, welches weniger helle oder dunkle Flächen aufweist, aber gleich beleuchtet ist wie das Motiv (Ersatzmessung). Mit dem gemessenen Wert wird das Motiv belichtet. Schliesslich besteht noch die Möglichkeit der manuellen Korrektur (Override): Das zu helle Motiv wird über-, das zu dunkle unterbelichtet. Da man den Wert schätzen muss, geht man mit einer Belichtungsreihe auf Nummer sicher, bei der man mehrere Aufnahmen mit unterschiedlichen Belichtungen macht.

Bei der Belichtung von Negativfilmen ist die Wiedergabe der absoluten Helligkeit von untergeordneter Bedeutung, da sie sich beim Kopiervorgang korrigieren lässt und von den Labors auch korrigiert wird. Wesentlich für eine bestmögliche Detailwiedergabe ist hier, dass der Kontrastumfang möglichst exakt auf den Belichtungsspielraum des Filmes passt, um auch in den Lichtern und Schatten (also hellen und dunklen Stellen) noch Details erkennen zu können. Hierfür ist die Objektmessung der meisten Kameras gut geeignet. Für eine exakte Beherrschung einer bestimmten Tonwertwiedergabe ist jedoch das detaillierte Ausmessen des Kontrastumfangs und ein Arbeiten mit dem Zonensystem nach Ansel Adams erforderlich.

Bei der Digitalfotografie trifft im Wesentlichen das für Negativfilme gesagte zu, aufgrund der Besonderheiten bei der Aufzeichnung gibt es aber einige Besonderheiten. Daher gibt es hierfür ein eigenes Kapitel.

Bei langen Belichtungszeiten, wie sie beispielsweise bei Nachtaufnahmen notwendig sind, verhält sich die Schwärzung des Films nicht mehr linear zur auftreffenden Lichtmenge. Das äussert sich darin, dass überproportional länger belichtet werden muss. Dieser nach seinem Entdecker benannte Schwarzschildeffekt tritt bei Belichtungszeiten ab etwa einer Sekunde auf; der Faktor, um den die Belichtung verlängert werden muss, hängt vom Filmmaterial ab. Als Faustregel sollte man die Belichtungszeit bei einer gemessenen Zeit von einer Sekunde verdoppeln und bei zehn Sekunden vervierfachen. Wer öfters Langzeitbelichtungen macht, sollte sein Filmmaterial austesten. Ein weiteres Problem ist, dass sich bei Farbfilmen der Schwarzschildeffekt auf die Schichten unterschiedlich auswirkt, so dass es zu Farbverschiebungen kommen kann. Trotzdem sind Langzeitbelichtungen eine klassische Stärke von chemischen Filmen gegenüber der digitalen Fotografie, da bei Chips das Rauschen linear mit der Belichtungszeit steigt und so den nutzbaren Kontrastumfang immer weiter einschränkt. Der nutzbaren Belichtungszeit sind somit Grenzen gesetzt, die von der Rauschneigung und Empfindlichkeit des Aufnahmechips abhängen.


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(c) 1999 by Franz-Manfred Schüngel