Die richtige Belichtung II
von Franz-Manfred Schüngel

Ein gegebenes Motiv wird eine hellste Stelle und eine dunkelste Stelle haben. Den Helligkeitsunterschied bezeichnet man als Kontrastumfang, manchmal auch als Dynamik. Ein Film hat ebenfalls einen bestimmten Kontrastumfang: Eine bestimmte, minimale Lichtmenge ist notwendig, um eine wahrnehmbare Schwärzung auf dem Film zu erzeugen, andererseits ist ab einer entsprechend höheren Lichtmenge eine maximale Schwärzung des Films erreicht. Bei einem Motiv mit geringem Kontrastumfang, z. B. eine Landschaftsaufnahme an einem nebligen Herbsttag, sieht die Situation in etwa folgendermassen aus:
 

Man sieht, dass der recht geringe Kontrastumfang des Motivs problemlos auf den Film "passt". Wir können die Skalen sogar etwas gegeneinander verschieben (was einer anderen Belichtung entspricht), ohne dass an einem oder anderen Ende Bildinformationen verlorengehen. Dies bezeichnet man gemeinhin als Belichtungsspielraum.

Die Situation sieht anders aus, wenn wir ein sehr kontrastreiches Motiv (Landschaft mit Schnee im Sonnenlicht mit Schatten) fotografieren:
 

Der Kontrastumfang des Motivs ist grösser als der des Films. Das heisst, die Lichter und Schatten, die ausserhalb der Skala liegen, werden als einheitlich schwarze oder weisse Flächen, "ohne Zeichnung" auf dem fertigen Bild erscheinen. Durch Ändern der Belichtung (entspricht einem Verschieben der Skalen gegeneinander) kann man die Lichter oder Schatten detaillierter (mit Zeichnung) wiedergegeben, die jeweils andere Seite wird dann aber noch weniger Zeichnung aufweisen. Auf jeden Fall gehen Bildinformationen verloren.

Der in der oberen Skala angedeutete Kontrastumfang des Motivs setzt sich aus zwei Anteilen zusammen: Dem Motivkontrast (helle und dunkle Motivteile) und dem Beleuchtungskontrast (beleuchtete Stellen und Schatten). Während man den Motivkontrast als gegeben hinnehmen muss, ist es möglich, den Beleuchtungskontrast zu beeinflussen. So lassen sich Schatten etwa mit einem hellen Tuch oder einem Blitz aufhellen, was den Beleuchtungskontrast vermindert. Durch den somit geringeren Gesamtkontrast kann es möglich werden, sowohl die Lichter als auch die aufgehellten Schatten mit Zeichnung abzubilden.

Weiterhin ist die Empfindlichkeit eines Films keine absolute Grösse; sie lässt sich durch die Art der Entwicklung beeinflussen. Dies hat auch einen Einfluss auf die Kontrastwiedergabe: Wird ein Film unterbelichtet und dafür länger entwickelt, werden die Negative wesentlich kontrastreicher; wird ein überbelichteter Film knapper entwickelt, werden sie kontrastärmer. Dies entspricht einem Dehnen oder Stauchen des oben angedeuteten Kontrastumfangs des Films. Prinzipiell ist es möglich, durch genaues Austesten des Fotomaterials und Ausmessen des Kontraste eines jeden Motivs zu Negativen zu kommen, die im Kontrastumfang perfekt auf das Motiv abgestimmt sind. Dieses Verfahren wurde von Ansel Adams entwickelt und als Zonensystem bezeichnet. Die so entstandenen Negative lassen sich mit der gleichen Belichtungszeit auf Positivpapier umkopieren und enthalten die maximal mögliche Bildinformation, wenn man den Kontrastumfang des Films genau auf das Motiv abstimmt. Alternativ kann ein Fotograf auch exakt eine abweichende, die Bildaussage unterstützende Tonwertwiedergabe verwirklichen - nicht immer ist eine Durchzeichnung von Lichtern oder Schatten auch erwünscht. Wegen des grossen Aufwands und wegen der Notwendigkeit, jedes Negativ einzeln zu entwickeln, eignet sich das Verfahren besonders bei der Verwendung von Grossformatkameras.


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(c) 2000 by Franz-Manfred Schüngel